Die Einflußreichen: Reinhard und Liz Mohn, 1991 © Bertelsmann
Unbeqeueme Wahrheiten
Von Thomas Schuler (August 2010)
Reinhard Mohn hat mit der Bertelsmann Stiftung auch sich und seine Familie beschenkt - wie an der Uni-Karriere seiner Tochter deutlich wird.
Reinhard Mohn postulierte einst hehre Ziele für die Bertelsmann Stiftung: Sie arbeite „ausschließlich im Sinne des übergeordneten Gesellschaftsinteresses“, schrieb Mohn 1998 und betonte: „Sie braucht keine Abhängigkeiten zu fürchten und sie darf es wagen, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen.“ Und: „Der Stiftung geht es nicht um materielle Vorteile, sondern um den gesellschaftlichen Fortschritt.“
Reinhard Mohn starb am 3. Oktober 2009. Seine Frau Liz und seine Kinder Brigitte und Christoph verwalten sein Erbe. Brigitte Mohn, die gemeinsam mit ihrer Mutter im Vorstand der Stiftung sitzt, soll irgendwann das Sagen in der Stiftung übernehmen, die 77 Prozent am Bertelsmann-Konzern hält (den Rest der Anteile halten die Mohns). So hat es Reinhard Mohn 2008 in seinen Erinnerungen „Von der Welt lernen“ nahegelegt.
Keine materiellen Vorteile für die Familie des Stifters? Zweifel ergeben sich unter anderem aus dem Studienverlauf von Brigitte Mohn. Nach ihrem Studium in Bamberg, Münster und Augsburg entschied sie sich, 1993 an der privaten Universität in Witten / Herdecke zu promovieren. Im Juli 1991 hatte die Universität im sogenannten „Studium fundamentale“ das Promotionsrecht eingeführt, wie die Pressestelle der Universität bestätigt. Ohne diese Änderung hätte Brigitte Mohn in Witten gar nicht anzufragen brauchen, denn sie hatte Publizistik, Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft studiert. In Witten werden aber Medizin, Zahnmedizin und Wirtschaft angeboten. Deshalb promovierte sie als erste Studentin in dem speziellen Studium fundamentale. Ausgerechnet an der Universität, wo ihr Vater bis 1995 den Vorsitz des obersten Gremiums führte und welche ihr Vater damals förderte wie kein Zweiter. Im Laufe der Jahre 1986 bis 2004 hat die Universität Witten/Herdecke von der Bertelsmann AG und der Bertelsmann Stiftung 35,1 Millionen Euro erhalten. Darüber hinaus hat die AG 1991 einen Lehrstuhl gestiftet, den sie nach Reinhard Mohn benannt hatte.
130 Seiten Doktorarbeit
Am 29. Juli 1993 reichte Brigitte Mohn die Arbeit „Kommunale Jugendhilfe im Übergang“ ein. Sie umfasst 130 Seiten, dazu 20 Seiten Literatur und viele Seiten Anhang. Es ist eine Weiterführung ihrer Magisterarbeit, die sie im Jahr davor zum gleichen Thema in Augsburg eingereicht hatte. Kritische Prüfer hatte Brigitte Mohn nicht zu fürchten an der Universität, die ihr Vater finanzierte. Ihr Doktorvater und Hauptgutachter war Professor Josef Maria Häußling, der Wissenschaftliche Direktor der Privatuni. Ihre Zweitgutachter waren der Betreuer ihrer Magisterarbeit sowie Professor Ulrich van Suntum, der später Aufträge der Bertelsmann Stiftung erhielt. Van Suntum sagt im Rückblick: „Die Arbeit von Brigitte Mohn war keine Überfliegerarbeit, aber sie war passabel.“
1993 ging Häußling in Ruhestand. 1994 erhielt er einen einjährigen Beratervertrag an der Privatuni – bezahlt von der Bertelsmann Stiftung, wie aus einem Schreiben von Konrad Schily, dem damaligen Präsidenten, hervorgeht. Ein gekaufter Titel? Zumindest wird deutlich, dass Brigitte Mohn keine Scheu hatte, einen Titel zu erwerben, bei dem der Verdacht entstehen musste, dass sie von den Zahlungen des Vaters profitierte.
In einer Stellungnahme bestätigt Bertelsmann die 35,1 Millionen Euro, ebenso den Beratervertrag der Bertelsmann Stiftung für Häußling. Der Vertrag sei vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) getragen worden. Das CHE wurde 1994 von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz auf Betreiben von Reinhard Mohn gegründet und von der Stiftung finanziert. Zu seinen Erfolgen zählt die Einführung von Studiengebühren und Hochschulräten, die Universitäten im Sinne Mohns zu Unternehmen umgestalten. Schily allerdings kündigte den Vertrag im Auftrag der Universität und der Stiftung, ohne das CHE zu erwähnen.
Mohn schrieb 1986: „Die dominierende Zielsetzung“, die zur Gründung der Bertelsmann Stiftung 1977 führte, sei „die Sicherung der Unternehmenskontinuität“ gewesen. Indem die Stiftung das Kapitalvermögen übernimmt (das geschah 1993), sollte sie „die dann nicht mehr durch Erbschaftssteuer belastete Finanzierungskontinuität gewährleisten“.
Geschätzte zwei Milliarden Euro hätten seine Frau und seine sechs Kinder zahlen müssen, wenn er ihnen sein Vermögen überschrieben hätte. Dem stehen rund 800 Millionen Euro gegenüber, die die Stiftung seit 1977 in rund 750 Projekte investiert hat. Bertelsmann argumentiert, dass aufgrund neuer Gesetze nach Mohns Tod 2009 keine Erbschaftssteuer angefallen wäre. Das ist richtig. Doch Mohn sorgte stets vor, und deshalb darf man annehmen, dass er sein Unternehmen sehr viel früher überschrieben hätte – zu einem Zeitpunkt, zu dem Erbschaftssteuern angefallen wären.
Das Prinzip, das Mohn mit seiner Stiftung propagierte, lautet: mehr Selbstkontrolle, mehr Eigenverantwortung. Ob bei der Aufsicht des privaten Rundfunks, kommunaler Verwaltungen, staatlicher Hochschulen – oder gemeinnützigen Stiftungen. Der Staat soll sich raushalten. Mohn verordnete der Gesellschaft Wettbewerb. Die Ironie dabei: Sein Unternehmen hat er mit einer komplizierten Stiftungskonstruktion dem Wettbewerb entzogen. Ein großer Teil der Gewinne wird nicht als solcher ausgewiesen. Das Geld verbleibt im Unternehmen. Erlöse aus Verkäufen fließen der Stiftung nicht zu.
Ein weiteres Problem: Liz Mohn ist in den beiden maßgeblichen Gremien der Stiftung vertreten, dem Vorstand, der die operative Tätigkeit in die Hand nimmt, aber auch im Kuratorium, das den Vorstand beraten und beaufsichtigen soll und die Höhe der Vorstandsbezüge regelt. Liz Mohn kontrolliert sich quasi selbst und die Höhe der eigenen Bezüge. In der Satzung der Stiftung ist zwar geregelt, dass Familienmitglieder keine Zuwendungen erhalten. Bertelsmann betont allerdings, dass der Begriff Zuwendungen „Geld ohne Gegenleistung“ bedeute. Da Brigitte und Liz Mohn in der Stiftung arbeiten, erhielten sie eine „angemessene Vergütung“; Kuratoriumsmitglieder wie Liz und Christoph Mohn erhielten eine Aufwandsentschädigung. Summen nennt Bertelsmann nicht.
Wer kontrolliert wen?
In den Grundsätzen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, heißt es: „Mitglieder von Kontroll- und Beratungsgremien sind grundsätzlich unabhängig von den für die operative Tätigkeit verantwortlichen Organen.“ Die Bertelsmann Stiftung betont, sie orientiere sich daran. Aber Liz Mohn hat sich von den Grundsätzen ausgenommen. Es sei „die einzige Ausnahme für diese Trennung zwischen Mitgliedschaft in Kuratorium und Vorstand“, wie die Stiftung versichert. Außerdem agiere Liz Mohn „in Einklang mit deutschem Stiftungs- und Steuerrecht“. Doch wie soll Selbstkontrolle funktionieren, wenn sich die Betroffenen bei problematischen Fällen darauf berufen, dass ihre Praktiken gesetzlich nicht verboten seien?
(publiziert in der "Frankfurter Rundschau")