IFG-Vorstand Norbert Forster könnte aufklären, tut es aber nicht.   Foto: Thomas Schuler

 

Ingolstadt GmbH III

Nur die halbe Wahrheit

Die Lärmschutzwand an der Manchinger Straße - Teil 2: Oberbürgermeister Christian Lösel versprach aufzuklären und heuerte dafür einen externen Rechtsanwalt an. Dessen Stellungnahme wirft weitere Fragen auf

Von Vinzenz Neumaier und Thomas Schuler (10. März 2020)

 

Die Wand stand ganz oben auf der Tagesordnung. Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) hatte angekündigt, die Vorgänge rund um den fragwürdigen Bau der Lärmschutzwand an der Manchinger Straße aufarbeiten zu lassen. Wie kam es, dass das kommunale Tochterunternehmen IFG, an dessen Spitze damals Lösels Vorgänger Ex-OB Alfred Lehmann stand, eine teure Lärmschutzwand direkt dort errichten ließ, wo Lehmann zuvor privat ein Dutzend Studentenwohnungen gekauft hatte? Und das, obwohl ein dem Stadtrat vorenthaltenes Gutachten die Mauer nicht für erforderlich hielt? - (>>>Hintergrund in Teil 1) Als Reaktion auf den ersten Artikel über die Lärmschutzwand richtete OB Lösel eine Arbeitsgruppe ein, die aufklären sollte.

 

Zwei Wochen später, am 13. Februar, sollte der Stadtrat erfahren, was wirklich geschehen war. Lösel sprach an diesem Tag jedoch nicht selbst. Er schickte Anwalt Fritz Kroll vor. Fast eine Stunde lang referierte Kroll Ergebnisse seines Aktenstudiums. Er betonte unter anderem, dass ein Gutachten von 2009 die Mauer „objektiv erforderlich“ gemacht habe und dass mehrere Käufer, die zeitlich vor Lehmann Wohnungen kauften, die Lärmschutzwand eingefordert hätten. Alt-OB Alfred Lehmann habe zudem keinen Einfluss auf ein wohlwollendes Gutachten genommen. Kroll behauptete, damit sei Lehmann nun vollständig entlastet. Ende der Geschichte.

 

Die Unabhängigkeit des Anwalts 

 

Wirklich? Tatsächlich werfen Krolls Ausführungen neue Fragen auf. Entgegen seiner Darstellung ist nicht (nur) entscheidend, was andere Käufer (darunter das Studentenwerk Erlangen-Nürnberg) forderten. Sondern, wie sich der damalige OB Lehmann, seine Verwaltung und die von ihm kontrollierte städtische Tochter IFG nach 2011 verhielten und was sie offen legten – also nach dem Kauf seiner Wohnungen und nach dem Gutachten, das sich gegen die Lärmschutzwand aussprach. Warum haben Lehmann und die IFG 2013 im Stadtrat nicht offen gelegt, dass ein weiteres Gutachten den Sinn der Mauer in Frage stellt, aber die Käufer auf einer Lärmschutzwand bestehen - weil sie dafür bezahlt hatten? Und warum legte Lehmann nicht offen, dass er selbst betroffen ist? Weshalb schließlich haben OB Lösel und IFG auf wiederholte Presseanfragen hin nie davon gesprochen, dass sich die Stadt vertraglich gebunden fühlte - immerhin hatten sie für Anworten mehr als zwei Monate Zeit. Auf all dies ging Kroll nicht ein. 

 

Ein unabhängiger Aufklärer hätte nicht nur Verträge einsehen, sondern auch weiteren Fragen nachgehen müssen. Warum hatten weder Verwaltungs- noch Stadträte Kenntnis über die Forderungen der Käufer? Weshalb wusste niemand im Stadtrat vom gegenteiligen Gutachten und dem Interessenkonflikt Alfred Lehmanns? Dies war offenkundig alles nicht der Fall und die Stadträte forderten in der Stadtratssitzung vom 13. Februar auch keine Antworten auf diese Fragen ein. 

 

IFG-Chef Forster schweigt

 

Wenn es indes eine Person gibt, die aufklären könnte über die Frage, ob und wie der ehemalige Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) Einfluss nahm auf die Entscheidung, eine teure Lärmschutzwand vor seinen Studentenwohnungen zu bauen, obwohl ein Sachverständiger die Wand als nicht notwendig erachtete, dann ist es IFG-Vorstand Norbert Forster. Forster saß im Stadtrat ganz still am Rande und sagte zwei Stunden kaum ein Wort.

 

Die IFG erwarb das ehemalige Pionierkasernengelände und verkaufte die Kasernenbauten anschließend an Bauträger, die die Gebäude entwickelten. Die IFG war es auch, die die Wand vor Lehmanns Wohnungen errichten ließ. Das ist heikel, denn bis 2014 stand Lehmann als Oberbürgermeister und Vorsitzender des Verwaltungsbeirats an der Spitze der IFG. Die IFG ist Kern und Wurzel der mehr als 50 kommunalen Unternehmen des Ingolstädter Bürgerkonzerns, wie Lehmann ihn nannte. Bevor Lehmann Oberbürgermeister wurde, war er selbst Geschäftsführer der IFG. Er stellte Norbert Forster damals ein. Die IFG ist die älteste ihrer Art in Bayern und in Ingolstadt führt man die wirtschaftlichen Erfolge der Stadt auf ihr Wirken zurück. Als ihr oberster Chef verantwortete Lehmann ihre Entscheidungen. Vorlagen und Interna müssen nur einem kleinen Kreis von Beiräten vorgelegt werden, die nicht darüber reden dürfen – nicht einmal mit ihren Fraktionen. Als ehrenamtliche Stadträte haben diese oft kaum Zeit und Wissen, um entscheidende Fragen zu stellen. Und sie müssen zum Wohle des Unternehmens entscheiden. Ein Nährboden für Korruption, wie „Die Ingolstadt GmbH“  darlegte.

 

Aufgrund der Verschwiegenheitsklauseln ist es nachvollziehbar, dass die Beiräte den Empfehlungen der Vorstände und Geschäftsführer folgen. Der Stadtrat wiederum folgt den Empfehlungen des IFG-Verwaltungsbeirates. Und warum sollten die Stadträte misstrauisch sein? Da den Beiräten und den Stadträten wichtige Informationen vorenthalten wurden, folgten sie der nachvollziehbaren Empfehlung für die Wand. Zudem bot die Verwaltung scheinbar eine juristisch saubere Grundlage, indem sie zur Erweiterung des Sanierungsgebietes Augustinviertel für das Förderprogramm Soziale Stadt riet, um an 120.000 Euro Zuschussgelder des Freistaates zu kommen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war nicht bekannt, dass Lehmann von einem befreundeten Bauträger zu günstige Wohnungen erwarb – all das kam erst sehr viel später heraus. Alle Beteiligten gaben sich mit der Behauptung von IFG-Chef Norbert Forster, Lärmschutz sei notwendig, zufrieden. Festzuhalten bleibt: Die IFG machte es wohl leichter, die Stadträte zu manipulieren, indem man ihnen Informationen vorenthielt.

 

Im Verwaltungsbeirat besprachen OB Lehmann und Forster den Bau der Mauer. Laut einer Niederschrift vom 6. Februar 2013, die Forster unterzeichnete, setzte die IFG für die Projektgenehmigung der Schallschutzwand einfach voraus: „An der Manchinger Straße sind Schallschutzmaßnahmen erforderlich.“ Zur Begründung verwies Forster in einer Stellungnahme an ProRecherche auf das Gutachten aus dem Jahr 2009. Er habe mit Alfred Lehmann im Verwaltungsbeirat über die Wand gesprochen, schreibt er. Was wurde inhaltlich besprochen? Welche Meinung vertrat Alfred Lehmann zu dem gegenteiligen Gutachten? Dazu schweigt Forster, weicht aus und sagt auch auf mehrmalige Nachfrage nichts. Weitere Fragen, etwa warum beide das Gutachten den Beiräten und Stadträten nicht vorlegten, beantworten weder Forster noch Lehmann.

 

Die IFG agierte in einem Bereich, der kaum einsehbar ist. Nach außen wirkt das Vorgehen korrekt. Entscheidungen werden zwischen Verwaltungsspitze und Referentenrunde, Verwaltung und IFG hin und her geschoben – nach außen wirkt es so, als seien mehrere Instanzen in Prüfung und Kontrolle eingebunden. Lehmann konnte im Hintergrund bleiben und darauf vertrauen, dass IFG und Stadtverwaltung in seinem Sinne handeln. Fest steht, dass er wichtige Informationen zurück hielt und mit der Sitzungsvorlage einen falschen Eindruck erweckte.

 

Was hat Lehman geraten? Erklärte er sich befangen, weil er privat Wohnungen gekauft hatte? Legte er den Kauf offen? Recherchen ergeben, dass Lehmann seine Befangenheit weder im Verwaltungsrat der IFG noch im Stadtrat thematisierte und sich nicht von dem Beschluss ausnahm. Im Gegenteil: Er war es, der unter Verweis auf die fragwürdige Sitzungsvorlage der IFG erst die Verwaltungsräte und später die Stadträte um Zustimmung bat und sie auch erhielt.

 

„Objektiv notwendig”?

 

„Die halbe Wahrheit ist die beste Lüge“, heißt es. Wer am 13. Februar im Stadtrat saß und Fritz Kroll, dem Anwalt der Stadt, zuhörte, der erlebte eine Inszenierung von Aufklärung, die an diesen Spruch erinnert. Die IFG habe bauen müssen, sagte Kroll. Um die Anforderungen der Lärmvorsorge einzuhalten, sei es „objektiv notwendig“ (>>>) gewesen, die Wand zu errichten. Ein Sachverständiger habe dies im November 2009 in einer Untersuchung so festgestellt. Und tatsächlich: Betrachtet man die Stellungnahme aus dem Jahr 2009 mag es so scheinen, dass Kroll recht hat. Der Sachverständige berechnete damals einen Schallpegel von 60 Dezibel an den Soldatenunterkünften auf der ehemaligen Pionierkaserne. Der Verkehrslärm übersteigt damit den Grenzwert von 59 Dezibel am Tag um ein knappes Dezibel.

 

Nur, die Grenzwerte, an denen sich der Sachverständige orientierte, gelten für die ehemaligen Soldatenunterkünfte nicht. Die Verkehrslärmschutzverordnung ist nur bindend, wenn eine neue Straße gebaut oder eine bestehende wesentlich verändert wird. Die Manchinger Straße änderte sich nicht.Im Gegenteil: Die Stadt ließ sogar Flüsterasphalt verlegen, es wurde also leiser, nicht lauter.

 

Der Sachverständige für Lärmschutz konstatierte bereits 2009, dass der Beurteilungspegel von 60 Dezibel „relativ niedrig“ sei. Den Lärm, den die Studenten in den ehemaligen Pionierkasernen ertragen müssen, stellt nichts Außergewöhnliches dar. Die Stadt Ingolstadt veröffentlichte eine Lärmkarte (>>>), mit deren Hilfe sich Anwohner informieren können, wie laut es in ihrer Straße ist. Betrachtet man diese Karte, so fällt auf, dass sich ein Lärmpegel von 60 Dezibel nahezu im ganzen Stadtgebiet finden lässt. Fast an jeder größeren Straße müssen Ingolstädter eine vergleichbare Lautstärke aushalten - ohne Lärmschutzwand.

 

Eine weitere Aussage Krolls lässt Zweifel aufkommen. Der Anwalt behauptete, die Wand an der Manchinger Straße schütze Freiflächen an den ehemaligen Kasernenbauten vor Lärm. Somit entstehe ein ruhiger Außenbereich für die Bewohner. Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Lärmschutzwand schirmt vor allem Parkplätze, die direkt hinter der Wand liegen, vor Krach ab. Gärten neben den ehemaligen Soldatenunterkünften, wo sich Menschen normalerweise aufhalten, profitieren hingegen kaum.

 

Ausführlich referierte Kroll, das Studentenwerk und andere Käufer hätten, so wie vertraglich festgelegt, auf „wirksamen“ Lärmschutz bestanden. Schließlich hatten die Käufer dafür bezahlt. Als die Stadt unter Verweis auf das gegenteilige Gutachten vorschlug, auf die Mauer zu verzichten, lehnten sie das ab. Vorausgesetzt, das war der wirkliche Grund für die Erfordernis der Mauer: Warum legte Lehmann diese Tatsachen im Stadtrat nicht offen?

 

Das Umweltamt spricht, dann schweigt es

 

Im November 2019 gab sich ProRecherche als Anlieger (nicht als Journalist) aus und fragte den Experten des Umweltamtes zu den rechtlichen Voraussetzungen der Lärmschutzmauer. Dieser antwortete, die konkreten Voraussetzungen für einen rechtlichen Anspruch würden nicht vorliegen. Er schrieb wörtlich: „Die von Ihnen angesprochene Schallschutzwand war schon öfter Gegenstand diverser Anfragen. Sie eignet sich weder als Beispiel für wirkungsvollen noch als Beispiel für notwendigen Schallschutz. Die Lärmschutzwand taugt auch nicht als Beispiel für die Beantwortung grundsätzlicher Fragen. Es gibt drei Aspekte: 1. Die Wand ist wegen der geringen Höhe und der geometrischen Verhältnisse schalltechnisch weitestgehend wirkungslos. 2. An den Fassaden der dahinter gelegenen Kasernenbauten werden die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung auch ohne Lärmschutzwand eingehalten. 3. Es liegt keine der unter Punkt 1 benannten Voraussetzungen vor.“

 

In Punkt 1 hatte der Experte die gesetzlichen Voraussetzungen für Anspruch auf Lärmschutz erläutert – entweder eine Änderung des Verkehrsweges oder ein Bebauungsplan. Die Antwort bestätigt: Die Wand ist weitgehend wirkungslos und Anlieger hatten keinen rechtlichen Anspruch darauf.

 

Die Sitzungsvorlage, die Lehmann und Forster als entscheidendes Dokument zur Abstimmung im IFG-Verwaltungsrat und im Stadtrat präsentiert hatten, bewertete der Lärmschutzexperte des Umweltamtes anders: „Die Aussage des Satzes ‚An der Manchinger Straße sind Schallschutzmaßnahmen erforderlich’ ist für den Bereich der ehemaligen Pionierkaserne schlichtweg falsch. Die Aussage stimmt für weite Teile der Straßenrandbebauung (z.B. an den gegenüberliegenden Mehrfamilienwohnhäusern), nur eben nicht für die ehemaligen Kasernenblöcke.“

 

Gibt man sich beim Umweltamt als Journalist zu erkennen, schwindet die Lust der Verwaltung Auskünfte zu erteilen. Der Mitarbeiter des Umweltamts und der zuständige Referent Rupert Ebner lehnten ein offizielles Interview mit ProRecherche ab, verwiesen Anfragen stattdessen an den Pressesprecher der Stadt.

 

Lücken gefördert?

 

Knapp 600.000 Euro, soviel kostete die Wand an der Manchinger Straße insgesamt. Die IFG erhielt 120.000 Euro Zuschuss von der Regierung von Oberbayern. Der Freistaat subventionierte den Bau der Wand aus dem Förderprogramm “soziale Stadt”. Allerdings nicht in erster Linie, um für besseren Lärmschutz zu sorgen. Die Argumentation der Regierung von Oberbayern mutet eigenartig an. Ob die Wand lärmtechnisch notwendig oder sinnvoll ist, hat die Regierung wenig interessiert. Vielmehr förderte sie die Durchlässigkeit, also den Umstand, dass Mauerteile versetzt eingebaut sind und dadurch Lücken entstehen. Mit anderen Worten: Sie zahlte für die Löcher in der Lärmschutzwand. Dieser so genannte “städtebauliche Mehraufwand” sei förderungswürdig gewesen. Denn: Aus Sicht der Regierung von Oberbayern ermöglichen die Lücken in der Wand, dass Bewohner des Augustinviertels besser zum Neubaugebiet auf dem ehemaligen Pionierkasernengelände gelangen. Die Lücken würden also beide Stadtteile miteinander verbinden und das Augustinviertel so aufwerten. Wörtlich teilt die Behörde mit: „Unter städtebaulichem Mehraufwand sind Aufwendungen zu verstehen, die Maßnahmen wirksamer und verträglicher machen und zur Erreichung der Sanierungsziele notwendig sind.”

 

Wirksamer? Die Lücken mindern den Lärmschutz der Wand. Verträglicher? Verbesserung des Wohnumfeldes? Eine Mauer schirmt nun mal ab und trennt – trotz Lücken. Es lohnt sich, hier einen Moment innezuhalten, um das Kafkaeske der Argumentation zu verstehen: Die IFG baut eine wenig sinnvolle Mauer, die der Freistaat fördert, weil sie an mehreren Stellen durchlässig ist und dadurch angeblich zwei voneinander getrennte Wohngebiete an einer viel befahrenen Straße miteinander verbinde. Ganz so, als handle es sich dabei um einen Tunnel oder eine Brücke, die zwei Stadtviertel zusammenwachsen lässt. Das Argument der Transparenz und Durchlässigkeit von IFG und Stadtverwaltung scheint auch deshalb fragwürdig, weil die Verwaltung an anderer Stelle die Abgeschlossenheit im neuen Wohnviertel betont. Man sei unter sich, Fremde würden sofort als solche erkannt werden.

 

Mitarbeiter wollte Polizei einschalten

 

Zurück in den Stadtrat. Anwalt Krolls detailreiche Ausführungen im großen Sitzungssaal klangen offenbar für viele Stadträte überzeugend. Kein Wunder, da sie weder Gutachten noch Expertenmeinung des Umweltamtes kannten. Oberbürgermeister Christian Lösel, dem diese Fachmeinung seiner Verwaltung sehr wohl bekannt sein müsste, behauptete dennoch, er habe eh vermutet, dass an den Einwänden gegen die Lärmschutzwand nichts dran sei. Dies hätte ihm die Verwaltung auch bestätigt. „Um es klar zu sagen, es haben alle, alle, auch innerhalb der Verwaltung, sofort gesagt, es ist doch ordentlich gelaufen.“ Petra Kleine (Grüne) pflichtete Lösel bei. Beide seien sich in einem Telefonat einig gewesen, dass die Kritik an der Wand unbegründet sei.

 

Lösel täuscht sich bei der Einschätzung seiner Mitarbeiter. Nach Informationen von ProRecherche war der dubiose Bau der Lärmschutzwand immer wieder Gesprächsthema in der Verwaltung. Etliche Mitarbeiter waren angeblich der Meinung, dass nicht alles so sauber abgelaufen war, wie es Anwalt Kroll und OB Lösel im Nachhinein darstellen. Sie sollen gemunkelt haben, dass eine vergleichbar kostspielige Wand an anderer Stelle niemals gebaut worden wäre.

 

Es blieb nicht bei Worten. Im Herbst 2017 wandte sich ein Mitarbeiter der Verwaltung wegen der Lärmschutzwand an die Kriminalpolizei Ingolstadt. Der Mitarbeiter schrieb eine E-Mail, die ProRecherche vorliegt, an Kriminalhauptkommissar Richard Ostermeier. Der Polizist ermittelte damals gegen Ex-OB Lehmann wegen dessen krimineller Grundstücksgeschäfte, unter anderem auch an der Hildegard-Knef-Straße. Dort befindet sich das Gebäude, in welchem Lehmann Wohnungen kaufte. Die Lärmschutzwand steht direkt davor.

 

Der Mitarbeiter schilderte dem Kommissar den Sachverhalt und bot eine Aussage an. Passiert ist aber - nichts. Dies mag heute verwundern und ist bedeutsam. Denn als ProRecherche Mitte Dezember bei der Staatsanwaltschaft anfragte, ob die Behörde wegen der Lärmschutzmauer je ermittelt hätte, leitete Staatsanwalt Gerhard Reicherl umgehend Vorermittlungen ein, um zu prüfen, ob Ermittlungen möglich seien.

 

Zu Ermittlungen wegen Untreue kam es jedoch nicht. Eine mögliche Straftat verjährte angeblich im März 2019, weil die Mauer bereits 2014 abbezahlt war. Doch ist der Vorgang wirklich verjährt angesichts der detaillierten Hinweise des Mitarbeiters der Verwaltung im Herbst 2017? Damals hielten es offenbar weder Staatsanwaltschaft noch Polizei für nötig den Informationen nachzugehen. Nun könnte es zu spät sein.