„Die Ingolstadt GmbH“

 

OB Christian Lösel stößt Ermittlungen

gegen Quellen der Journalisten an

 

Von Vinzenz Neumaier und Thomas Schuler (ProRecherche.org)

 

 

Wir haben mehrere Monate lang in Sachen Korruption in Ingolstadt recherchiert und das Ergebnis der Recherchen am 29. Juli veröffentlicht: „Die Ingolstadt GmbH“. Unsere Recherchen haben, wie wir durch Schreiben der Kripo Erding erfuhren, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Ingolstadt ausgelöst.

 

Es geht bei unseren Recherchen um bislang nicht bekannte Absprachen im Aufsichtsrat des Klinikums Ingolstadt. Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Nach dem Amtswechsel von OB Alfred Lehmann auf OB Christian Lösel 2014 gab der ehemalige OB den Vorsitz des Krankenhauszweckverbandes sowie den Vorsitz im Aufsichtsrat des Klinikums an seinen Nachfolger ab. Nach Aussage des ehemaligen Geschäftsführers des Klinikums, Heribert Fastenmeier, sei jedoch Lehmann auf Wunsch von Lösel weiterhin Fastenmeiers „erster Ansprechpartner“ in allen wichtigen Fragen gewesen. Lehmann habe das angeblich für „Sonderwünsche“ zum Eigennutz mißbraucht. Für diese angebliche Vereinbarung gab es keinen Beschluß des Aufsichtsrates. OB Lösel bestreitet den Vorwurf, er habe Aufgaben an seinen Vorgänger delegiert. Lehmann schweigt zu den Vorwürfen. (Details zur Korruptionsaffäre siehe „Die Ingolstadt GmbH“)

 

Zu den aktuellen Ermittlungen: Es gibt angeblich keine Anzeige gegen uns, sondern Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Verletzung von Privatgeheimnissen. Ziel der Ermittlungen ist es offenbar, Quellen und Informanten von uns, den Autoren von „Die Ingolstadt GmbH“, herauszufinden und gegen sie strafrechtlich vorzugehen. Den Anstoß dazu gab OB Lösel, indem er einen Fragenkatalog von uns, in dem wir ihm die Vorwürfe ausführlich vorhielten, an die Staatsanwaltschaft weiter leiten ließ.

 

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen die sachliche Richtigkeit der Recherche oder deren Veröffentlichung, also nicht gegen die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit von „Die Ingolstadt GmbH“. Auch handelt es sich lediglich um einen Verdacht der Staatsanwaltschaft.

 

Laut Angaben der ermittelnden Polizeidienststelle Erding hat der Krankenhauszweckverband Ingolstadt, an dessen Spitze OB Lösel steht, die aktuellen Ermittlungen ausgelöst, da unsere Fragen teilweise bislang unveröffentlichte Ermittlungsergebnisse beinhalteten.

 

Thomas Schuler betont: „Ich bin von der Kripo Erding als Zeuge vorgeladen für den 10. September. Ich lasse mich juristisch vom Bayerischen Journalistenverband vertreten und beraten. Davon hängt ab, ob und was ich aussagen werde. Klar ist, dass ich keine Hinweise über die Herkunft von Informationen oder über mögliche Quellen geben werde. Das verbietet sich für Journalisten, die Informanten Vertraulichkeit zugesagt haben.“

 

Juristisch vertreten uns der BJV sowie der renommierte Presserechtler Prof Ernst Fricke. Vinzenz Neumaier hat sich, um Quellen zu schützen, gegenüber der Kripo bereits auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen.

 

Uns überrascht, dass OB Christian Lösel unsere Fragen zum Anlaß nahm, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Wir werten das als Versuch, unsere Recherchen zu behindern und unsere Quellen zu ermitteln mit dem Ziel, Aufklärung zu behindern.

 

Denn aus unserer Sicht gibt es berechtigte Fragen über die Vorwürfe von Heribert Fastenmeier. War für ihn nach dem Amtswechsel Lehmann/Lösel 2014 tatsächlich weiterhin Ex-OB Lehmann „erster Ansprechpartner“, wie Fastenmeier behauptete? Wir haben den OB dazu ausführlich zu Wort kommen lassen in „Die Ingolstadt GmbH“. Dennoch bleiben trotz seiner Erklärungen Fragen offen und ungeklärt. Wenn Lösel keine Aufgaben delegiert hat, wie er behauptet, wieso war Lehmann dann weiterhin über ein normales Maß eines Aufsichtsratsmitglieds hinaus in Personal- und Immobilienfragen involviert? Wieso endete die enge Abstimmung mit Lehmann nicht nach wenigen Wochen oder Monaten? Wieso zog sich die angeblich von Fastenmeier gewünschte Abstimmung über „laufende Themen“ endlos hin?

 

Zum Originalartikel "Die Ingolstadt GmbH"

 

 

Die neuesten Entwicklungen:

6. September 2019:

Bayerische Staatszeitung: "Außer Kontrolle"

 

12. September 2019:

Augsburger Allgemeine: "Muss Ingolstadts Ex-OB ins Gefängnis?"

 

13. September 2019:

Donaukurier: Ex-OB räumt "Fehlverhalten bei Immobiliengeschäften" ein