Lehrredaktion Recherche mit Journalistik-Studenten der Universität Eichstätt 2014

 

Diensthabende Abgeordnete 

 

Eine Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen weist ihre Tätigkeit für einen rüstungsnahen Verein nicht aus und fliegt auf. Auch mehrere ihrer Kollegen aus dem Bundestag pflegen zweifelhafte Verbindungen zur Rüstungsindustrie – die rekrutiert stetig neue Türöffner.


von Christian Schweppe (© September 2014)

 

Eigentlich trägt Gisela Manderla (56, Köln) gerne Schals und eleganten Zwirn. Nicht aber an diesem Tag. Lächelnd steht sie in der Wonne der Lüneburger Heide: Das Dorf Lopau ist nicht weit weg. Für Schießbahn Nummer Sieben mussten dort damals die Bewohner weichen, in den Achtzigern war das. Der Ort Munster liegt nebenan und ist heute wichtigster Stützpunkt des Deutschen Heeres. An diesem 22. Juni 2014 ist Gisela Manderla hier zu Gast im „Ausbildungszentrum Panzertruppen“. Mit schwarzen Stiefeln steht sie auf der Wiese und verschränkt ihre Arme hinter dem Rücken. Im Hintergrund streift ein junger Mann durchs Dickicht. Er trägt Tarnfarbe. Und auch Gisela Manderla trägt Camouflage. Sie posiert in Bundeswehr-Uniform, aber eigentlich ist sie Bundestags-Abgeordnete in Berlin. Heute hat sich Manderla zur Wehrübung abberufen. Und auch sonst scheint sie sich im Umfeld von Heer und Rüstung wohlzufühlen. Sie ist nicht die Einzige.










    

                                                                                                                 Twittereintrag von Gisela Manderla (screenshot)

Der Fall Nordrhein-Westfalen

 

Nach unseren Recherchen hat es Gisela Manderla (CDU) versäumt, innerhalb der geltenden Frist von drei Monaten ihre Tätigkeit im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) öffentlich auszuweisen. Damit hat sie gegen die Geschäftsordnung des Bundestags verstoßen. Auch die Nebentätigkeiten ihres Kollegen Wolfgang Hellmich (SPD) sowie eines Landtags-Abgeordneten aus NRW waren über ein Vierteljahr lang nicht transparent öffentlich ersichtlich. Zumindest im Fall Hellmich liegt die Schuld beim Bundestag. Schon 2009 musste der einen ähnlichen Fall von verschwiegenen Nebentätigkeiten einräumen. Weil Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schon damals keine Strafen aussprach, geriet auch er ins Kreuzfeuer. Zu Kritik ob des erneuten Falls der Intransparenz schweigt er aber beharrlich.

 

Bildungs-Bunker DWT

 

In den Führungsgremien rüstungsnaher Vereine sitzen Politiker oft gemeinsam mit Vertretern großer Rüstungs-Konzerne. Derzeit hat der Verteidigungsausschuss 32 Mitglieder – jeder Dritte engagiert sich in einem rüstungsnahen Verein, viele für die DWT. Die gehört zu einem dichten Netzwerk von Rüstungslobbyisten, die bis in den Bundestag hinein operieren. Ein erfolgreiches System: Noch ist Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will das jetzt ändern. Wenn es je eine Zeit gab, in der Rüstungslobbyisten nervös sind – sie ist angebrochen.

 

Offiziell gibt sich die DWT als gemeinnütziger Verein, als Bildungs-Bunker. Doch bestehen an den Motiven des Vereins Zweifel. So steht im Geschäftsbericht von 2010 ganz unverblümt, dass man sich eine „Türöffner-Funktion“ von Politikern erhoffe und gerne bei Ministerreisen mitfliege. Online schmückt sich die DWT mit vielen Fotos: Beim „rüstigen Frühstück“ sprechen 60 Teilnehmer über „arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten“ von Rüstungsfirmen. Beim „Kamingespräch“ wird der Generalinspekteur der Bundeswehr zu Tisch gebeten. Die Bundeswehr ist zufälligerweise wichtigster Auftraggeber für deutsche Rüstungsfirmen. Auf den Fotos sind im Hintergrund schon mal Info-Stände mit Waffen, Panzern oder Spionage-Technik zu sehen – Kundenwerbung unter dem Deckmantel der Bildungsarbeit.


Auch eine Liste aller ausländischen Militärattachés in Deutschland hat die DWT in ihrem Besitz. Sie ist geschrieben auf Briefpapier des Verteidigungsministeriums. Auf Anfrage, gibt das Ministerium solche Listen nicht heraus – schließlich würden so "Persönlichkeitsrechte verletzt". Auf der DWT-Homepage kann sich aber jeder eine solche Liste selbst herunterladen oder in der Geschäftsstelle abholen. Laut DWT kommt die Liste sogar vom Ministerium. 2012 etwa waren es ganze 103 Seiten – jeder ausländische Militärattaché inklusive Handynummer, Ehefrau und Bild der Ehefrau. Wozu eine Bildungsorganisation das alles braucht – etwa zur Geschäftsanbahnung? – dazu schweigen DWT und Ministerium. Wieder auf der eigenen Homepage schreibt die DWT allerdings ganz ungeniert: „Es gehört zum ´offiziellen´ Auftrag der deutschen Militärattachés, für deutsche Firmen in ihrem Gastland Kontakte aufzunehmen, zu halten und so als Türöffner zu fungieren.“

 

Diensthabend: „Dingo Hape“

 

Die Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann hat ihren Sitz in München, Krauss-Maffei-Straße. Diensthabender Wahlkreisabgeordneter: Hans-Peter Uhl (CSU). Im fernen Berlin sitzt der im Unterausschuss für Abrüstung. In der Heimat ist Uhl gern gesehener Gast in den Werken großer Aufrüstungsfirmen. „Vor Ort“, nennt Uhl das. Bilder davon gibt es reichlich: Uhl beim Triebwerkhersteller MTU, Uhl mit KMW-Azubis, Uhl bei der Auslieferung des hundertsten Dingo-Panzerfahrzeugs. Sein sicherheitspolitischer Verein ist die German European Security Association (GESA). Sie ist eine Schnittstelle zwischen Sicherheits-Politik und Industrie. Uhl ist dort im Vorstand. Auch er fordert im SPIEGEL mehr Geld für die Bundeswehr.

 

Pikant: Von 2010 bis 2012 hat Bundeswehr-Partner KMW insgesamt 46.500 Euro an Uhls CSU überwiesen. Kritiker haben längst einen Spitznamen für ihn – „Dingo Hape“. Insgesamt spendeten Rheinmetall und KMW zwischen 2002 und 2012 rund 247.000 Euro an die Union, 242.500 Euro an die SPD und 66.000 an die FDP. Das geht aus den Rechenschaftsberichten der Parteien hervor.

 

Kritik von der Opposition

 

Die Linkspartei kritisiert die rüstungsnahen Vereine längst. 2010 schrieb sie an die Bundesregierung: Die Rüstungsindustrie habe „viele Anreize“, sich durch Lobbyarbeit im Bundestag Vorteile zu schaffen. „Durch den Einfluss, den Lobbyverbände nehmen, besteht die Gefahr, dass Parlament und Regierung entgegen ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht mehr die Interessen des Gemeinwohls vertreten.“ Es gebe „nicht ganz unberechtigte Bedenken“, dass KMW und Rheinmetall „trotz immenser Mehrkosten aufgrund von Verzögerungen, Pannen und technischen Mängeln immer wieder milliardenschwere Rüstungsaufträge erhalten, die unter Umständen nicht allein sachlich begründet sind“. Auch bezweifle man die Selbstlosigkeit von Vereinen wie der DWT.

 

Unterdessen wird ein anderer rüstungsnaher Verein aktiv: Die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitstechnik will so schnell es geht ihren Namen ändern – das „Wehr“ soll bald fehlen.

 

 

PS: Die Recherche-Ergebnisse von Christian Schweppe über die unvollständigen Angaben von Abgeordneten zu ihre Nebentätigkeiten erschienen aus Aktualitätsgründen noch während des laufenden Seminars auf Seite 3 der "Neuen Westfälischen". Die Story wurde dort am Folgetag weiterverfolgt. Mehrere Medien wie der Kölner Express oder der Westdeutsche Rundfunk berichteten über die Recherchen. Auf den websites der Parlamentarier wurden die Angaben zu den DWT-Nebentätigkeiten nach den Recherchen mittlerweile kommentarlos ergänzt

 

(Publikation mit freundlicher Genehmigung des Autors)

 

 

 

Über den Autor:

Christian Schweppe, geboren 1993, studiert seit 2013 Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Er arbeitet bisher u.a.  für das ZDF, die Süddeutsche Zeitung, die Welt, den  Medienblog lousypennies.de und die Neue Westfälische.  Aktuell gefördert durch ein Stipendium von netzwerk recherche.

 

email: christian.schweppe (att) gmx.de

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