Lehrredaktion Recherche mit Journalistik-Studenten der Universität Eichstätt 2014:

 

Sonderpreise für die Presse

 Immer mehr Medienunternehmen verbieten ihren Mitarbeitern, Presserabatte in Anspruch zu nehmen. Namhafte Firmen wie die Deutsche Bahn oder vodafone ziehen sich als Anbieter zurück; parallel gibt es immer mehr exotische Angebote im Internet. Aber was genau steckt eigentlich hinter den viel diskutierten Vergünstigungen?

 

Von Helene Matejcek (© September 2014)

 

1.500 Euro kosten acht Minuten Höhenfeuerwerk der Firma „1-2-3 Feuerwerk“ mindestens; anlässlich „Hochzeiten, Geburtstagen, aller Arten von Jubiläen, Gartenfesten und dergleichen“. Das gilt für Otto Normalverbraucher. Für alle, die einen gültigen Journalistenausweis vorlegen können, wird es billiger: 25 Prozent, um genau zu sein; nur noch knapp 1.130 Euro für das Highlight der Gartenparty. „1-2-3 Feuerwerk“ ist eine von 1.500 Firmen, die übers Internet Sonderkonditionen für Journalisten anbietet. Es gibt Presserabatt auf Computer, Küchenmaschinen, Autoreifen und den Berliner Zoo, auf Fallschirmspringen und Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure.

 

Aber warum erhält diese Berufsgruppe überhaupt Vergünstigungen? Warum bieten Unternehmen Rabatte an, die ganz offensichtlich nichts mit Journalismus zu tun haben?

 

„Vor dem Fall des Rabattgesetzes war es für die Firmen nicht so einfach, Preisnachlässe zu gewähren“, erklärt Sebastian Brinkmann, Gründer der Webseite „pressekonditionen.de“. „Sie haben sich Zielgruppen gesucht, Rechtsanwälte oder eben Journalisten. Als Meinungsführer sind sie für die Firmen besonders interessant.“ Artikel neun, Absatz eins des Gesetzes über Preisnachlässe – auch „Rabattgesetz“ – besagte, dass „Sondernachlässe oder Sonderpreise“ Personen gewährt werden dürfen, „die Ware oder Leistung in ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verwerten“ – zum Beispiel Journalisten. Seit der Aufhebung des Rabattgesetzes im Jahr 2001 ist es erlaubt, ihnen zudem Produkte billiger zu verkaufen, die nichts mit ihrem Beruf zu tun haben. Außerdem dürfen Händler nun auch dem gewöhnlichen Endverbraucher mehr als drei Prozent Nachlass gewähren.


Die Folge: Erstens bieten Firmen Journalisten seitdem berufsferne Artikel und Dienstleistungen zu Sonderkonditionen an, etwa Brautkleider oder Babysitting. Und zweitens gewähren sie Nicht-Journalisten ebenfalls Rabatte, weshalb viele Produkte auf dem freien Markt günstiger sind als über Presserabatte. Das bestätigt Peter Diesler, Gründer von journalismus.com, der auf seiner Webseite für Journalisten unter anderem Angebote für Sonderkonditionen online stellt: „Manchmal gibt es Produkte ganz ohne Presseausweis zum selben Preis oder sogar ein paar Euro günstiger.“ Beispielsweise kostet ein bestimmtes Sweatshirt für alle Presseausweis-Besitzer zehn Prozent weniger, ungefähr 30 Euro. Über Amazon: 16,54 Euro. Bei Autos oder Flugreisen jedoch lohne der Journalistenrabatt meistens schon, fügt Diesler hinzu. Etwa bei Condor, die 2013 mit „20 Prozent Rabatt auf den Flugpreis“ der beliebteste Anbieter auf pressekonditionen.de war.

 

Egal, ob lohnenswert oder nicht, dienen Sonderpreise für Journalisten primär als Marketinginstrument: „Unternehmen wollen auf ihre Produkte aufmerksam machen“, sagt Corinna Haß von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). „Sie erhoffen sich dann natürlich eine Berichterstattung, im besten Fall eine wohlwollende.“ Außerdem sei es „eine kommerzielle Strategie“, sagt der pressekonditionen.de-Betreiber Brinkmann. Zum Beispiel bei einem Frauenarzt und Medizinjournalisten aus der Nähe von Hannover. Mit 20 Prozent Nachlass auf Akupunktur oder Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure möchte er nach eigenen Angaben seinen Umsatz steigern.

 

Ob Journalisten, die solche Vergünstigungen nutzen, noch unabhängig Bericht erstatten können, wird viel diskutiert. „Bei Journalisten sind die Rabatte natürlich kritisch zu sehen, weil sofort der Verdacht der wohlwollenden Berichterstattung aufkommt“, sagt Brinkmann. Das sei eine Gefahr, jedoch seien Journalisten andererseits geimpft, sich von dieser Art der Beeinflussung zu distanzieren. Und: Oft bestehe gar nicht die Möglichkeit, über die jeweilige Firma zu schreiben.


Auch „Stern“-Journalist Dominik Stawski kommt in seiner Studie „Die Prozente der Presse“ zu diesem Ergebnis: Die primären Motive der Anbieter zielten nicht darauf ab, „den Journalisten durch Rabatte Informationen über das Produkt zu vermitteln, um so indirekt Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen“.


Wie die Journalisten das selbst sehen, zeigt Stawskis Befragung von über 300 Probanden, die alle deutschen Tageszeitungsjournalisten repräsentieren: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten schätzen Vergünstigungen für die Presse als „problematisch“ oder „sehr problematisch“ ein; ein Drittel dieser Gruppe, ohne je ein Rabattangebot genutzt zu haben. Die übrigen 47 Prozent sehen die Rabattnutzung als unproblematisch an, von ihnen haben fast 90 Prozent bereits einen Preisnachlass in Anspruch genommen. Dass ein Journalist trotz Rabattnutzung weiterhin objektiv berichten könne, trauen sogar über zwei Drittel der Befragten ihren Kollegen zu.


Dennoch empfehlen immer mehr Medienunternehmen ihren Angestellten, auf Presserabatte zu verzichten – oder verbieten deren Nutzung. Ein Beispiel dafür ist die Süddeutsche Zeitung: Journalisten bietet sie ein Abonnement der Printausgabe um zehn Prozent billiger an. Dabei ist es laut Chefredakteur Stefan Plöchinger auch für alle Nicht-Journalisten „kein Hexenwerk“, ein „zumindest anfangs stärker rabattiertes Abo der SZ zu bekommen“. Ihren eigenen Mitarbeitern untersagt sie „die Annahme spezieller Rabattierungen für journalistische wie private Zwecke, sofern die Rabattierungen nicht auch normalen Personen offen stehen“. August 2013 ergänzte der Norddeutsche Rundfunk seinen Verhaltenskodex um den Satz: „Wir nutzen keine Journalistenrabatte.“

 

„Mit den Verboten wird so getan, als ob man für mehr Transparenz sorgen würde“, sagt Diesler von journalismus.com. „Aber die Journalisten sind weiterhin Abonnenten bei mir. Wie wollen die Verlage das auch kontrollieren?“ Tatsächlich bestätigt Brinkmann von pressekonditionen.de, dass das Interesse der Journalisten nach wie vor groß sei. „Journalisten sparen gern, wie alle anderen auch“, sagt er. „Und Journalisten wollen gern ein bisschen hofiert werden. Sie genießen den höheren Status.“

 

Frank Überall, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Journalisten-Verband (DJV), freier Journalist und Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln, beschäftigt sich viel mit Netzwerken und Korruption in Politik und Journalismus. „Verbotsarien funktionieren nicht“ sagt er. „Das ist viel zu schwer zu überprüfen.“ Vielmehr müsse man die Menschen zum Nachdenken anregen.

 

Corinna Haß von der dju fordert ebenfalls eine „kritische Auseinandersetzung“ mit Journalistenrabatten. Im günstigsten Fall werde ein Code für den Verzicht auf Sonderkonditionen gemeinsam mit den Belegschaften erarbeitet. Und: Die Einkommenssituation gerade von freien Tageszeitungsjournalisten sei vielfach so prekär, dass sie zum Teil auf bestimmte Angebote angewiesen seien. Daher müsse eher honorarseitig eine Verbesserung eintreten.

 

Parallel zu den Verboten der Medienunternehmen ziehen verschiedene Firmen ihre Rabattangebote zurück – wie 2012 die Deutsche Bahn. Obwohl das Unternehmen im Jahr zuvor bei pressekonditionen.de auf Platz drei der beliebtesten Journalistenrabatte gelandet war, stellte es den 50 Prozent-Nachlass auf die BahnCard50 ein. Achim Stauß von der Konzernpressestelle teilte mit, dass der Rabatt „nicht mehr zeitgemäß“ gewesen sei. Begründung: grundlegende Veränderungen in der Medienwelt und veränderte Sicht von Gesellschaft und Journalisten auf Presserabatte. Konkret will Stauß das auch auf Nachfrage nicht erläutern.

 

„Die Konzerne überlegen natürlich auch: Sind die Rabatte eher ein Zielgruppen-Marketing oder fallen die Rabatte negativ auf uns zurück, werden wir womöglich der Korruption bezichtigt“, sagt Überall vom DJV. Dennoch ziehen manche Firmen ihre Angebote nur öffentlich zurück: „Immer mehr Firmen wollen aus der Datenbank genommen werden“, sagt Diesler von journalismus.com. „Wenn wir dann nachfragen, kommt heraus, dass die Firmen durchaus noch Rabatte gewähren, aber nicht öffentlich gelistet werden wollen.“

 

 

(Publikation mit freundlicher Genehmigung der Autorin)

Über die Autorin

Helene Matejcek, geboren 1994, kam nach dem Abitur über ein Magazin-Praktikum zum Journalismus. Seit Oktober 2013 studiert sie Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt.

 

Kontakt: helene-matejcek (att) online.de