Lehrredaktion Recherche mit Journalistik-Studenten der Universität Eichstätt 2014

 

Der Algerien-Deal

 

Die Rüstungsindustrie ist eng vernetzt mit der Politik. Mit Hilfe dieser Verbindungen kam auch das gigantische Waffengeschäft deutscher Rüstungsunternehmen mit Algerien zustande.

 

Von Lennart Bedford-Strohm (© September 2014)

 

Der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika begrüßt sie am Flughafen in der brütenden Sonne. Im Juli 2008 besucht Angela Merkel Algerien. In einem vertraulichen Dokument, das Wikileaks vor einigen Jahren zusammen mit 251.287 teils geheimen US-Botschaftsdepeschen veröffentlichte, erzählen deutsche Diplomaten ihren amerikanischen Kollegen brisante Einzelheiten über den Algerien-Besuch der Kanzlerin. So habe Merkel vor der Presse behauptet, den algerischen Präsidenten zu „demokratischen und sozialen Reformen gedrängt“ zu haben. In dem geheimen Dokument heißt es allerdings, dass die deutschen Diplomaten zwar „zahlreiche Themen“ vorbereitet hatten, die Merkel ansprechen sollte. Auch „Menschenrechte und Religionsfreiheit“ sollten Thema sein. Die deutschen Diplomaten mussten dann allerdings „mit einer Spur Enttäuschung“ zur Kenntnis nehmen, dass Merkel „generell nicht interessiert“ daran schien, politische oder soziale Themen zu besprechen. Das Bundeskanzleramt erklärte heute dazu auf Anfrage, Dokumente Dritter würden "nicht kommentiert".


Lieber habe Merkel damals mit dem algerischen Präsidenten über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Algerien und Deutschland gesprochen. So wollte sie den deutsch-algerischen Beziehungen „Dynamik verleihen.“ Die Kanzlerin habe mit dem algerischen Präsidenten auch den Verkauf deutscher Fregatten an die algerische Marine im Wert von „acht Milliarden US-Dollar“ besprochen. Auch der damalige Staatssekretär des für die Kontrolle von Rüstungsexporten zuständigen Wirtschaftsministeriums Bernd Pfaffenbach, habe sich damals „separat“ mit Abdelmalek Guenaizia vom algerischen Verteidigungsministerium getroffen. Die beiden sollen „militärische Kooperationsprojekte“ besprochen haben, u.a. mögliche Lieferungen deutschen „Grenzschutz-Equipments an die algerische Armee.“ Damit hätte die Bundesregierung nicht nur die Rahmenbedingungen für Rüstungsgeschäfte geschaffen, sondern sie aktiv vermittelt.


Bei diesem Staatsbesuch in Algerien legt Angela Merkel die Grundlage für ein gigantisches Waffengeschäft – Umfang: 10 Milliarden Euro. Einer der großen Profiteure dieses Geschäfts ist Rheinmetall. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern hat einen kurzen Draht nach Berlin. Als der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika die Kanzlerin im Dezember 2010 in Berlin besucht, isst er mit ihr zu Mittag. Mit am Tisch: Klaus Eberhardt, damals Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall. Das belegen die Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.

 


Es vergehen danach keine vier Monate, da gründet Rheinmetall mit dem korruptionsumwitterten Essener Unternehmen Ferrostaal und mehreren algerischen Firmen die „Rheinmetall Algerie SPA“. Das Ziel ist nach Angaben von Rheinmetall der Aufbau einer Produktionsstätte „für die Herstellung des Transportpanzers vom Typ Fuchs.“ Damit exportiert ein deutsches Rüstungsunternehmen erstmals nicht nur Panzer ins Ausland, sondern gleich eine ganze Panzerfabrik. Beteiligt ist auch der deutsche Fahrzeughersteller MAN. Im Januar 2010 gründeten die beiden Unternehmen dazu die Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH (RMMV). Der Rheinmetall-Deal ist Teil des Rahmengeschäfts über 10 Milliarden Euro.

 

Im Bundessicherheitsrat, der in geheimer Sitzung und ohne parlamentarische Kontrolle Rüstungsexporte genehmigt, sitzt damals neben der Kanzlerin auch Entwicklungsminister Dirk Niebel von der FDP. Genau dieser Niebel wird bald einen spektakulären Wechsel hinlegen: Ab Januar 2015 arbeitet er bei Rheinmetall. Niebel wird das Unternehmen nach Angaben von Rheinmetall „beim Ausbau der globalen Regierungsbeziehungen unterstützen.“ Auf Anfrage lässt Niebel mitteilen, seit seiner Amtsübergabe habe er kein Interview mehr gegeben. Sicher habe man Verständnis dafür, „daß ich weiterhin so verfahren möchte.“ Aufschlussreicher ist da Niebel's aktuelle Homepage niebel-international-consulting.de. Dort verfügt er über ein "langjährig gewachsenes und exzellentes weltweites Netzwerk zu Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen mit einem klaren Schwerpunkt in Afrika und Nahost.“

 

Beim Besuch in Berlin im Dezember 2010 beschließen Bouteflika und Merkel außerdem, die Deutsch-Algerische Gemischte Wirtschaftskommission (GWK) zu gründen. Die erste Sitzung leitet damals Staatssekretär Bernd Pfaffenbach, die GWK tagt geheim. Pfaffenbach war es auch, der laut geheimen US-Botschaftsdepeschen beim Algerien-Besuch 2008 mit einem Vertreter des algerischen Verteidigungsministeriums über Lieferungen von Grenzschutz-Equipment verhandelt hatte. Neben anderen Wirtschaftsvertretern sind bei der ersten Sitzung der GWK im März 2011 u.a. Mitarbeiter von Rheinmetall, sowie Hans- Christoph Atzpodien, Vorstandsvorsitzender von Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS). TKMS liefert die Kriegsschiffe, für die Angela Merkel laut US-Botschaftsdepeschen 2008 in Algerien geworben hatte.

 

Geplant ist nach unseren Recherchen, dass zwei Fregatten des Typs MEKO-A-200 AN aus Deutschland an Algerien geliefert, und zwei weitere in Algerien selbst gebaut werden. Diese Kriegsschiffe sichert die Bundesregierung mit sogenannten Hermes-Bürgschaften ab. Das belegt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken. So wurden 2012 „Fregatten und Logistik“ nach Algerien mit einem Deckungsvolumen von 1.330 Millionen Euro abgesichert. Sogenannte Hermes-Bürgschaften vergibt die Bundesregierung dann, wenn zu befürchten ist, dass das Empfängerland die Lieferungen nicht bezahlen kann. Zahlt Algerien also nicht, wird der deutsche Staat einspringen.

 

Hans-Christoph Atzpodien von der TKMS ist einer der häufigsten Besucher in Berlin: Sechsundzwanzig Mal hat er sich allein von Oktober 2009 bis Januar 2014 mit führenden Regierungsvertretern getroffen. Doch nicht nur bei der TKMS ist Atzpodien engagiert: Bis Juli war er Präsident eines mächtigen Lobbyverbandes der Rüstungsindustrie, dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Dort sind alle wichtigen Rüstungsunternehmen zusammengeschlossen. Heute ist Atzpodien Vize-Präsident, sein Nachfolger ist Armin Pappberger. Er ist als Vorstandsvorsitzender bei Rheinmetall der Nachfolger von Klaus Eberhardt, der mit dem algerischen Präsidenten zu Mittag gegessen hat.

 

Aus seinen Interessen macht der BDSV kein Geheimnis. Auf seiner Homepage fordert der Verband offen eine „weitaus engere Zusammenarbeit zwischen Amtsseite und Industrie.“ Diese Zusammenarbeit zwischen der Industrie, den Streitkräften und den Beschaffungsbehörden seit nötig. Die Politik scheint ganz nach dem Geschmack des BDSV zu arbeiten. So habe die deutsche Rüstungsindustrie „ebenso großes Vertrauen in die Integrität der Mitglieder des Deutschen Bundestages wie in die Mitglieder des Bundessicherheitsrates.“ Mitglied im BDSV ist auch die EADS, heute Airbus Group. Sie ist einer der Spitzenreiter bei der Lobbyarbeit im Bundestag. Wenn man in der Liste der Treffen von Rüstungsindustrie und Regierungsvertretern nach „EADS“ sucht, erscheinen 112 Treffer. Beim Mittagessen mit dem algerischen Präsidenten war auch der Chef der EADS-Rüstungssparte Cassidian dabei, Stefan Zoller. Auch Cassidian ist am Algerien-Geschäft beteiligt. Zusammen mit Carl-Zeiss und Rohde & Schwarz liefert Cassidian Grenzschutz-Equipment. Für die Kontrolle von Waffenexporten ist Sigmar Gabriel's Wirtschaftsinisterium (BMWi) zuständig. Deshalb lohnt es sich, ein besonderes Auge auf die Staatssekretäre im BMWi zu haben. Von 2002 bis 2006 war Georg Wilhelm Adamowitsch von der SPD Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministers. Seit September 2011 hat er einen neuen Job: Er ist Hauptgeschäftsführer des Rüstungslobby-Verbandes BDSV.

 

(Publikation mit freundlicher Genehmigung des Autors)


über den Autor:

Lennart Bedford-Strom, geboren 1994, hat schon während seiner Schulzeit erste Auslandserfahrungen in Ruanda und Südafrika gesammelt. Er ist Autor des in Eigenregie gedrehten Dokumentarfilms "Wikwiheba - Verlier nicht die Hoffnung" über junge Schüler in Ruanda. Seit 2013 studiert er Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und ist nebenbei freier Mitarbeiter beim Coburger Tageblatt.

 

kontakt: lenny.b-s (att) hotmail.de

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