Lange Zeit hatte die Deutsche Bahn Pannen an sensiblen Bahnübergängen verschwiegen. Nach Thomas Schulers Investigativ-Seminar war Stephan Brockmeier einige Schritte
weitergekommen. Foto: privat
Stephan Brockmeier über Investigative Recherchen im Lokalen
Investigative Recherche im Lokalen? Natürlich ist das auch was für den Lokalteil, das Herz der Regionalzeitungen. Nur Verlautbarungen wiedergeben – das können auch andere. Thomas Schulers Rechercheseminar half mir, hinter die verschwiegenen Pannen der Deutschen Bahn zu kommen.
Das Verbreitungsgebiet der gemeinsamen Lokalredaktion von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau grenzt östlich an Köln. Mit der Kreisstadt Bergisch Gladbach und vier kleineren Kommunen ist es überschaubar-ländlich, bevorzugter Wohnstandort, ein Speckgürtel mit 200.000 Einwohnern und wenig Kriminalität.
Viele Pendler nutzen die Regionalbahnlinie 25, die von Meinerzhagen in Westfalen über das 27.000-Einwohner-Städtchen Overath („meine“ Kommune“) bis nach Köln führt. Doch kommt es an der Strecke immer öfter zu Problemen, und zwar ausgerechnet in Overath, das nur drei beschrankte Bahnübergänge hat. Leser berichten im Sommer 2014, dass sich die Schranken nicht schließen oder zubleiben oder dass bei offener Schranke rotes Licht blinkt oder… Die Deutsche Bahn AG bestreitet monatelang Sicherheitsprobleme und Störungen, bis im März 2015 die örtliche Polizei 15 Schranken-Einsätze in zwei Monaten bestätigt. Doch weiß auch die Polizei nicht alles. Die Wahrheit kennen nur die Bahn und ihre Aufsichtsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt in Bonn. Doch beide mauern.
In diese Zeit fällt das zweiteilige Seminar „Investigative Recherche“ bei Thomas Schuler. In Teil 1 Ende März 2015 gibt es Grundlagen und konkrete Tipps. Einen Monat später in Teil 2: Gott und die Welt und viele Anwohner sind befragt, aber einen Whistleblower aus der Bahn-Zentrale gibt es leider nicht. Es ist frustrierend, doch dann bringen Beispiele von Kollegen aus der Bundesliga des Investigativen Journalismus‘ einen neuen Motivationsschub. Dann der Lohn der Mühen: Die Bahn hat die Zeit genutzt und ihre Anlagen auf Vordermann gebracht, jetzt nennt sie Zahlen für die beseitigten Missstände. Einen Monat später der zweite Erfolg: Das Eisenbahn-Bundesamt korrigiert sich und teilt gemäß Informationsfreiheitsgesetz doch noch seine Erkenntnisse über Störungen mit. Die Zahlen liegen 50 Prozent höher als die der Bahn . . .
P.S. Dank Interviews mit Betroffenen, hartnäckiger Nachfragen und Einsatz des Informationsfreiheitsgesetzes lieferten Bahn und Eisenbahn-Bundesamt am Ende Antworten - wenn auch widersprechend. Die beharrlichen Nachfragen führten außerdem dazu, dass die Bahn tätig wurde und den Mißstand behob.
Die Ergebnisse stehen hier im Kölner Stadt-Anzeiger:
41 Pannen an Overather
Bahnübergängen
und
Sehr viel mehr Störungen als bekannt gegeben