Rüstungslobby-Recherche endete im SPIEGEL
Mehrere Monate arbeitete unser Kollege Christian Schweppe (22) an diesen Recherchen. In unserer Lehrredaktion begleitet von ProRecherche-Mitbegründer Meinrad Heck. Ein Stipendium vom Netzwerk Recherche und noch ein kleiner Zuschuss von PRORECHERCHE machten es möglich. Christian Schweppes Geschichte "Speeddating mit Diplomaten" über die offiziell gemeinnützige Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, die ihre zahlenden Mitglieder aus der Rüstungsbranche mit einflussreichen Militärattaches zur Geschäftsanbahnung zusammenbringt, war dem SPIEGEL (42/2015, Seite 50) eine Doppelseite wert.
Kontakt:
Christian.Schweppe (att) zeit-lupe.com
Twitter: @ChSchweppe
making of:
Recherchen in der Rüstungsindustrie
Von Christian Schweppe
Meine Nachforschungen über Waffengeschäfte in diesem Land haben im Sommer 2014 begonnen. Damals habe ich Meinrad Heck während eines Rechercheseminars an der Universität Eichstätt kennengelernt. Gemeinsam wollten wir Netzwerke der nationalen Rüstungsindustrie enttarnen: Ich als Rechercheur sowie Autor, Meinrad Heck als Betreuer und Mentor.
Insbesondere die Struktur der Recherche haben wir bereits damals zusammen geplant und abgesprochen, bei Bedarf auch angepasst. Am Ende stand eine erste Artikelreihe in der Neuen Westfälischen: Gleich mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete hatten ihre Nebentätigkeit in einem Lobbyverein der Rüstungsindustrie nicht ordentlich für die Öffentlichkeit ausgewiesen.
Meine Recherchen waren weder für die Abgeordneten noch die Bundestagsverwaltung angenehm. Besonders aber rückten sie den Lobbyverein selbst in den Blickpunkt. Was genau treibt aber die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. (DWT)? Das herauszufinden, war eine weitere Recherche wert – und erforderte gleichzeitig mehr Zeit und Geld. Mit Netzwerk Recherche und PRORECHERCHE hatten sich im Frühjahr allerdings zwei Partner gefunden, die mir die Mittel für eine solche Recherche zur Verfügung gestellt haben. Ohne sie wäre diese Geschichte nicht möglich gewesen.
Im April 2015 habe ich mich erneut mit Meinrad Heck getroffen, um den Rechercheweg abzusprechen. Wo nur anfangen? Wie immer hilfreich: das „Prinzip Staubsauger“ – sämtliche Dokumente und verfügbare Informationen über die vermeintlich gemeinnützige DWT zusammentragen, sichern, auswerten. Über verschiedene Wege gelangte ich insbesondere an interne Vereinspapiere, die ein erstes Licht auf die Beziehung des Rüstungsvereins zu Waffenherstellern und deutschen Ministerien warfen. Der Blick in das altmodische Registergericht war sicherlich anstrengend – aber umso lohnenswerter.
In den folgenden Wochen recherchierte ich in Bonn, wo die DWT ihren Sitz hat, und Berlin. Dort findet eine Leuchtturm-Veranstaltung der DWT statt: Ein Treffen zwischen der Rüstungsindustrie und Militärattachés - mitgetragen vom deutschen Steuerzahler. Die Attachés sind Diplomaten – auch aus Deutschland – die dort als „Türöffner“ für mögliche Waffengeschäfte eingespannt werden. Bei diesem Treffen wollte man eigentlich unter sich bleiben, alles abgeschirmt vor den Toren Berlins. Und doch war es mir möglich, das Geschehen vor Ort zu verfolgen. Ein klassischer Reporterjob.
Die Zwischenergebnisse meiner Recherche habe ich regelmäßig mit Meinrad Heck besprochen. Zusammen haben wir auch über mögliche Gesprächspartner und Experten diskutiert – wen wann am besten kontaktieren? Wer könnte mehr wissen, Informationen bestätigen, Dinge einordnen? Die enorme Erfahrung von Meinrad Heck, insbesondere bei der strukturierten Dokumentation von Zwischenergebnissen und der Gesprächsführung mit potentiellen Quellen sowie Experten, hat mich während der gesamten Recherche enorm weitergebracht. Es sind oft die kleinen Tricks und Kniffe, die am meisten nützen – und die man nur von erfahrenen Journalisten lernen kann. Die feinen Nuancen in offiziellen Statements oder Verschleierungsversuchen von Betroffenen. All das kann man als Rechercheur mit einem Mentor an der Seite besser einordnen und diskutieren. Auch das Vier-Augen-Prinzip beim fact checking war wertvoll für mich.
Am Ende hat der Spiegel meine Recherchen in Heft 42/2015 auf zwei Seiten veröffentlicht – ein toller Erfolg. An dem Thema bleibe ich dran und werde bei meinen künftigen Recherchen sicher weiter einen Schwerpunkt auf Lobbyismus setzen. Ein sicherer Quellenschutz ist mir dabei besonders wichtig – wie bei jeder Recherche.
Mein Dank gilt allen, die mich während der Recherche – in verschiedener Weise – ermutigt und unterstützt haben.
Kontakt:
Christian.Schweppe (att) zeit-lupe.com
Twitter: @ChSchweppe
POSTSCRIPTUM:
Wenige Tage nach der Veröffentlichung im Spiegel, publizierte die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik eine Erklärung wonach die Arbeit der DWT - so wörtlich - "in unzutreffender teils verzerrter Weise dargestellt" worden sei. Die Erklärung war nicht etwa für den SPIEGEL oder für unseren Kollegen und Autoren Christian Schweppe gedacht, sondern für Rüstungsunternehmen, um "in Ihren Gesprächen und Kontakten dieser Fehldarstellung entgegenzutreten und die Sachlage richtig zu stellen". Unter anderem wurde erklärt: "Die Informationsveranstaltung für die Militärattachés ist eine Informationsveranstaltung, die mit ihrer Ausstellung und den dort geführten Gesprächen die in den Vorträgen beschriebene Rolle des wehrtechnischen Mittelstandes in Deutschland ergänzt. Sie ist ausdrücklich keine Verkaufsveranstaltung."
Für besonders erwähnenswert hält die DWT: "Die Möglichkeit, dass aus den geknüpften Kontakten einmal Geschäftskontakte werden können, kann sicher nicht ausgeschlossen werden".
Dem Kollegen Christian Schweppe wurde seitens DWT der Vorwurf gemacht, er habe "ein Gesprächsangebot zur Erörterung der gestellten Fragen ... nicht angenommen".
Tatsächlich hat Christian Schweppe wegen des komplexen Sachverhaltes der DTW über mehrere Wochen wiederholt den exakt gleichen Fragenkatalog geschickt und "zur Vermeidung von Missverständnissen um eine schriftliche Antwort" gebeten. Eine der DWT-Antworten darauf lautete, er möge sich "weiterhin in unserem Internetauftritt informieren"- mit freundlichen Grüßen ..." (siehe unten stehenden Ausriss des mailverkehrs, 2 x klicken zum Vergrößern)