Reform in Ingolstadt:

Das Ende der VeranstaltungsGmbH

Von Vinzenz Neumaier und Thomas Schuler, ProRecherche.org

 

„Natürlich sind all diese Vorgänge erschreckend“, betonte Christian Scharpf im August 2019 als OB-Kandidat der SPD als Reaktion auf unsere Veröffentlichung. Schon damals kündigte er an, kommunale Beteiligungen teilweise wieder unter stärkere Kontrolle der Stadt (und damit der Stadträte) rückzuführen.

Nun, im Oktober 2020, ist er seit einem halben Jahr OB und kündigte die Auflösung der gemeinnützigen VeranstaltungsGmbH an. Bis Ende April 2021 soll sie abgewickelt werden. Es ist die erste Auslagerung, die aufgelöst wird. Diese Auslagerung aus dem Kulturamt war besonders umstritten, weil der damalige OB Christian Lösel (CSU) und die CSU-Fraktion gegen den Willen der anderen Parteien einen kompetenten Kandidaten als Geschäftsführer ablehnten und mit Tobias Klein ausgerechnet den in Kultur unerfahrenen Mann der CSU-Fraktionsvorsitzenden zum Geschäftführer der gGmbH machten.

 

Als Christian Lange (BGI) das 2016 im Stadtrat als ein Beispiel für Mauscheleien anprangerte, gab es einen Aufschrei – vor allem vom ehemaligen OB Alfred Lehmann und seinem Nachfolger Christian Lösel. Lehmann erweiterte den Bürgerkonzern stark, propagierte ihn als Lösung nutzte ihn zu seiner Kontrolle der Stadt; Lösel tat es ihm gleich und gewährte Lehmann auch nach der Amtsübergabe (zu) großen Einfluß im Bürgerkonzern. Lehmann ist inzwischen wegen Bestechlichkeit verurteilt; Lösel abgewählt.

 

In seiner Stellungnahme zu unseren Recherchen der IngolstadtGmbH betonte Scharpf im August 2019: „Die zunehmende Aushebelung der demokratischen Kontrolle des Stadtrats durch die im Verhältnis zur Einwohnerzahl weit überproportionale Auslagerung von städtischen Aufgaben in GmbHs ist falsch. Die Stadt Ingolstadt ist kein Wirtschaftskonzern, in dem nur nackte Zahlen und der wirtschaftliche Erfolg entscheiden. Sie ist ein Gemeinwesen für die Bürgerinnen und Bürger bei der einzig und alleine entscheidend ist, was für die Menschen und deren Lebensqualität das Beste ist. Die Beteiligungsstrukturen müssen daher überprüft werden. Wo sinnvoll und nötig, soll die Aufgabenerledigung wieder raus aus den Gesellschaften und zurück in den Hoheitsbereich überführt werden, damit der demokratisch gewählte Stadtrat wieder die volle Entscheidungskontrolle erlangt.“ Scharpf nahm die Reform der IngolstadtGmbH in sein Wahlprogramm auf.

 

Folgen nun weitere Reform-Schritte?

 

Die Stadträte haben im Oktober von einem Juristen eine rechtliche Einweisung in ihre Aufgaben als Aufsichtsräte der kommunalen Unternehmen erhalten. Kontrovers diskutierten sie den Interessenskonflikt, der weiterhin ungelöst ist. Wem sind sie als entsandte VertreterInnen in den Aufsichtsgremien mit ihren Entscheidungen verpflichtet: der Allgemeinheit? Oder der GmbH? Denn die Interessen der GmbH mögen in vielerlei Hinsicht mit den Interessen der Kommune gleich sein, nicht aber im Konfliktfall (etwa bei der Aufklärung von Korruption). Dann besteht die Gefahr, dass Aufklärung verhindert wird, weil sie möglicherweise zu Schadensersatzforderungen führen könnte, die dann der GmbH schadeten. Genau diesen Fall hat Ingolstadt seit 2016 erlebt im Klinikum und in der IFG, die Stadtentwicklung und Industrieförderung betreibt.

 

Ist die Auflösung der VeranstaltungsGmbH also der Anfang oder zugleich bereits das Ende der Reform? Werden die Satzungen der GmbH’s und Auslagerungen überarbeitet und so umgeschrieben, dass nicht mehr das Wohl der GmbH vor den Interessen der BürgerInnen steht? Wird Transparenz gefordert? Werden Rechte der Parteienvertreter, die in der Minderheit sind, in den Kontrollgremien gestärkt, um sinnvolle und effektive Kontrolle zu ermöglichen? Das sind die eigentlichen Fragen, auf die es bei einer Reform ankommt.