Trabi in der Giftmülldeponie Greppin. Recherchekollegen beim Deutschlandfunk haben herausgefunden, wo der Giftmüll seine Spuren hinterlassen hat. Foto: Fred Walkow
"Making of" einer großen Deutschlandfunk-Recherche:
Toxische Spurensuche
Vom 8. bis 18. April 2019 widmen sich Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova mit 15 Beiträgen dem Themenschwerpunkt Giftmüll
Von Shaniqua Packruhn (Deutschlandfunk)
Im Rahmen eines groß angelegten Rechercheprojekts zum Thema Giftmüll haben sich zahlreiche Landeskorrespondent*innen mit dem Reporterpool zusammengetan und 30 Jahre
nach dem Fall der Mauer auf „toxische Spurensuche“ in Ost und West begeben. Denn jahrzehntelang hat die Chemieindustrie ihre giftigen Abfällen rücksichtslos in der Natur entsorgt: Dioxine,
Schwermetalle und sonstige umweltschädliche Stoffe wurden sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik in Flüsse geleitet oder in Braunkohle-Restlöchern entsorgt. Bis heute zieht der Giftmüll
seine Spuren und lässt sich in der Luft, in den Böden und im Grundwasser nachweisen.
Das Recherche-Projekt verfolgt das Ziel, Verschmutzungen durch Chemiemüll aufzuzeigen und Lösungsansätze für den Umgang mit dem giftigen Erbe der Chemieindustrie
aufzuzeigen. Für eine 15-teilige Reportage-Reihe haben die Reporter Salz- und Kohlebergwerke aufgesucht, Deponien aufgespürt, den Meeresboden von Nord- und Ostsee inspiziert. In
Expertengesprächen und Interviews mit Betroffenen werden Umweltaltlasten und ihre notwendige Beseitigung thematisiert.
Im Gespräch mit Sabine Adler, der Leiterin des Reporter-Pools haben wir nachgefragt, was das Projekt so besonders macht.
Wie sind Sie auf das Thema Giftmüll gestoßen und warum ist es aktuell so relevant?
30 Jahre nach dem Fall der Mauer haben sich die Landschaften in Ostdeutschland stark verändert. Die maroden Industriebetriebe wurden abgerissen, manche neue
Unternehmen wurden an ihrer Stelle errichtet, viele Flächen liegen brach. Die Luft ist vielerorts sauberer geworden, doch eine große Gefahr, die Gifte im Boden, sieht man nicht. Im Osten wie im
Westen haben sich die Chemieunternehmen jahrzehntelang gleich verhalten: Produktionsabfälle wurden in nahe Flüsse gekippt, später in ausgebaggerte Kohle- oder Kiesgruben gefüllt. Vielerorts
verschmutzen die toxischen Abfälle bis heute das Grundwasser. Deutschland, das sich als Vorreiter im Umweltschutz darstellt, drückt hier beide Augen zu. Doch diese Altlasten verschwinden nicht
von allein, wir werden diesen Giftmüll noch vielen Generationen vererben, wenn nichts unternommen wird.
Wie sind Sie bei Ihrer Recherchearbeit konkret vorgegangen?
Am Anfang stand ein Seminar, bei dem wir uns die Expertise von Wolfgang Messner von ProRecherche geholt haben, der uns auch mit dem Schweizer Giftmüllexperten Martin Forter zusammengebracht hat. In
dem Seminar diskutierten wir, wie man Giftmülldeponien aufspürt und in welchen Schritten man bei der Recherche am besten vorgeht. Schon da hatten viele Kolleg*innen erste Ideen. Der schwierigere
Teil kam später: sich in die spezielle Materie hineinzuknien, einen langen Atem zu beweisen.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer Recherchearbeit gezogen und wie gravierend ist Ihrer Ansicht nach die Umweltbelastung durch toxische Abfallstoffe?
Das Thema ist wie geschaffen für Deutschlandradio mit seinen drei Programmen. Unsere Stärke, hervorragende Korrespondenten in den Bundesländern zu haben, kommt in einem solchen gemeinsamen Projekt zur vollen Geltung. Unsere Hörer erwarten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Recht eigene Rechercheanstrengungen, relevante Informationen aus ihrem unmittelbaren Lebensbereich und eine nachhaltige Berichterstattung. Mit dem giftigen Erbe der Chemieindustrie umzugehen, ist an vielen Orten eine Ewigkeitsaufgabe. Die Weigerung der Behörden und Politik, die Beseitigung der Schadstoffquellen anzugehen, braucht Öffentlichkeit und gesellschaftliche Diskussion