ProRecherche-Werkstatt im Sommer 2017 an der Uni Eichstätt:

Spannende Investigativ-Recherche

schaffte es in die ZEIT

 

Schöner Erfolg für Fabian Huber (21) und Vinzenz Neumaier (23): die Recherche über einen dubiosen Anbieter von Führerscheinen hat jetzt die ZEIT gedruckt. Erschienen war die von ProRecherche über Monate begleitete Recherche der beiden Journalistik-Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erstmals im Sommer im Uni-Magazin „Einsteins“. Hier ihr Recherche-Protokoll:

 

“Erwarten Sie eine extrem hohe Schadensersatzklage, denn Sie wissen gar nicht, auf was

Sie sich einlassen”, keifte uns eine nasale Stimme aus der Telefonleitung an. Die Stimme

gehörte Rolf Herbrechtsmeier aus Detmold. Über ihn und seine zwielichtigen Geschäfte

hatten wir zuvor über drei Monate recherchiert. Nicht nur einmal stand unsere Geschichte in

der Schwebe. Wichtige Kontaktpersonen meldeten sich plötzlich nicht mehr. Nichts ging

vorwärts, nichts ging rückwärts. Als uns Herbrechtsmeier aber bei der Konfrontation am

Ende unserer Recherche ganz unverhohlen drohte, wussten wir: Der Igel zeigt seine

Stacheln, die Story ist wasserdicht.

 

Alles begann mit einer dubiosen Facebook-Werbung Herbrechtsmeiers im Frühjahr 2017:

“MPU-Anordnung? Wir bringen Sie 100% günstig, legal und rechtssicher wieder auf die

Straße!” Eine Annonce, die deutschen Fahrsündern verspricht die MPU zu umgehen - das

warf bei uns zwei Fragen auf: Geht das überhaupt? Und: Was steckt hinter dem Angebot?

So spannend investigative Recherche klingen mag - der Grundstein ist oft monotone, aber

unvermeidbare Schreibtischarbeit. Europäische Richtlinien, Gerichtsurteile, Einschätzungen

von Juristen und Berichte von Behörden - um sich einen theoretischen Überblick zu

verschaffen, musste zu Beginn jede auffindbare Information zum Führerscheinrecht

zusammengetragen und analysiert werden. Das Ergebnis: Über Jahre gab es Schlupflöcher

für sogenannte Führerscheintouristen, die die EU mittlerweile aber weitestgehend gestopft

hat. An Herbrechtsmeiers Angeboten muss also etwas faul sein. Dafür brauchten wir Beweise.

 

Über Facebook nahmen wir Kontakt zu ehemaligen Kunden Herbrechtsmeiers auf. Mit drei

von ihnen trafen wir uns kurze Zeit später persönlich in Hessen. Gerade bei einem heiklen

Thema wie diesem schafft ein ausführliches Sechs-Augen-Gespräch Vertrauen - und das

war in diesem Fall essentiell. Der Tenor der Gespräche war immer derselbe: Die ehemaligen

Kunden hatten alle Geld gezahlt, aber keine Führerscheine bekommen.

 

Budapest, Ungarn. Unangemeldeter Besuch in der Anwaltskanzlei von Daniel K., einem

Mittelsmann, der eine ungarische Firma Herbrechtsmeiers verwaltet. Hier sollten wir zum

ersten Mal unsere Deckung aufgeben, die wir die ganze Recherche über aus strategischen

Gründen aufrechterhalten hatten. Im Büro stoßen wir lediglich auf dessen Bruder, der K. für

uns anruft. Auch nach mehrmaligem Nachfragen will der nichts von Führerscheingeschäften

wissen. Die Mine des Bruders wird misstrauischer. Auf dem geliehenen Handy hat sich

unterdessen ein Schweißfilm gebildet. Froh, diese heikle Situation überstanden zu haben,

machten wir uns im Anschluss des Gesprächs auf den Weg zu Herbrechtsmeiers

ungarischer Firmenadresse. Die stellte sich als baufälliges Wohnhaus ohne Klingelschild,

Briefkasten und Büroräumlichkeiten heraus. Lediglich eine Plakette am Eingang wies auf

Herbechtsmeiers Firma hin. Die Erkenntnis unserer Vorort-Recherche: Hier wird ziemlich

sicher keinen Geschäften nachgegangen.

 

Wir hatten nun einige Indizien gegen Herbrechtsmeier in der Hand. Um die Geschichte

drucken zu können, fehlte allerdings etwas Handfestes. Dann kam der Durchbruch. Eine

unserer Quellen schickte uns einen Zeugenaufruf des Finanzamts Bielefeld und der

Staatsanwaltschaft Detmold, die gegen Rolf Herbrechtsmeier wegen des Verdachts auf

gewerbsmäßigen Betrugs und Steuerhinterziehung ermittelten. Damit stand die Geschichte

endgültig.

 

Am Ende konfrontierten wir Rolf Herbrechtsmeier mit den Ergebnissen der Recherche -

unsere Pflicht als Journalisten. Ein Mail mit über 40 Fragen blieb unbeantwortet. Also

versuchten wir es telefonisch. Auch hier wollte Herbrechtsmeier keine Stellung nehmen.

Stattdessen prahlte er: Er kenne Leute, die uns nicht einmal die Hand geben würden.

 

DIE ZEIT druckte unsere Geschichte letztlich auf einer ganzen Seite im Wirtschaftsteil. An

dieser Stelle gebührt der Dank unserer Dozentin Friederike Herrmann von der Kath. Universität

Eichstätt, die unsere Abgabetermine mehr als einmal nach hinten verschoben hat, Professor

Ernst Fricke für seine Engelsgeduld und rechtliche Expertise.

 

Vor allem aber möchten wir Wolfgang Messner von ProRecherche danken, der uns nicht nur

den Kontakt zur ZEIT vermittelt hat, sondern uns auch während der Recherche - sei es bei

Behördenanfragen oder Fragen zum taktischen Vorgehen - stets zur Seite stand. Ohne ihn

wäre diese Recherche sicher nicht möglich gewesen."

 

Zum Text in der ZEIT vom 2. November 2017>>>